Statistik:
Astara – Sefid Rud Lake – Qazvin (Karafkesh) – Roudbar Alamout – Marzan Abad – Teheran – Shiraz – Yazd – Isfahan – Teheran – Zangan – Täbris
Pannen:
Keine!
Der Iran ist schon eine Welt für sich. Der Loneley Planet sagt: Wer den Iran bereist tut das wegen seiner Bewohner. Ich stimme zu. Dieses gut gelaunte, gastfreundliche Völkchen hat mich begeistert! Ich dachte: So viel Gutes, wie ich über die Iraner gehört habe kann mich aber nichts mehr überraschen.
Mein Abenteuer beginnt schon bei der Grenzüberquerung. Zunächst setze ich etwas unbeholfen meinen Hijab auf. Der ist Pflicht, muss aber eigentlich nur ein bisschen die Haare bedecken. Vom Grenzbeamten werde ich freundlich und mit entschuldigendem Blick darauf hingewiesen, dass ich nach der Grenze meine Arme (ich trage noch ein T-shirt) bedecken sollte.
Genau wie in Russland bin ich spät dran. Ich hatte mir vorgenommen keine Grenze mehr kurz vor Toreschluss zu überqueren und ich kann das auch nicht empfehlen, aber das Grenzdorf ist wenig einladend. Anders als In Russland allerdings werden die Tore hinter mir (nicht vor mir) geschlossen. Das finde ich ungefähr so lange toll bis mir die 2 Beamten mitteilten der Zoll sei schon zu. ‚Wie jetzt?‘ Das Motorrad war beim Befahren der Grenzzone nicht unsichtbar und ist auch nicht plötzlich aufgetaucht.
Den Vorschlag 50$ zu bezahlen damit der Zollbeamte zurück bestellt wird lehne ich vehement ab. Die Beamten sind ratlos. Aserbaidschan hat schon Feierabend und zelten soll ich nicht: „Als Frau allein?“ Nein das ginge nicht! Keine Ahnung was das mit meinem Geschlecht zu tun haben soll. Angesichts der Zelt-Diskussion wird der nur Farsi sprechende Beamte immer unzufriedener. Er lädt mich schließlich, ein bei seiner Familie zu übernachten. Das lehne ich die ersten 3 Male ab. Im Iran gibt es die Höflichkeitsregel Taroof die besagt, dass erst das 4. Angebot ernst gemeint ist. Eigentlich hätte ich gern öfter abgelehnt. Ich bin müde, durchgeschwitzt und will Fridolin nicht an der Grenze lassen, aber so komme ich nicht weiter. Gut so, denke ich im Nachhinein.
Ich werde also von Beamten 1 zum Haus von Beamten 2 (Asmir heißt der gute Mann) gefahren. Während der Fahrt beschwert sich Beamte 1 sich über das den Wunsch nach Freiheit einiger Iraner. Denen ginge es nur um Alkohol und Drogen. ‚Ich kann das Streben nach Freiheit als Prinzip und prinzipiell verstehen‘ denke ich und bin daher lieber still. Ich möchte mich in den ersten 10 Minuten im Iran nicht gleich unbeliebt machen. Darüber ärgere ich mich im Nachhinein. Das ist wie in der U-Bahn schweigen, wenn jemand fremdenfeindliche Parolen kundtut. Es kann als stillschweigende Zustimmung missverstanden werden. Die Gelegenheit für sinnvollen Widerspruch verstreicht nur so schnell!
Am Haus empfängt mich Sama, Asmirs english sprechende Tochter. ‚Gut, das vereinfacht die Sache!‘denke ich.
Die nächsten 12 Stunden rede ich so viel über Religion wie in den letzten 12 Jahren nicht: Erkläre 8 neugierigen iranischen Augenpaaren mal, dass Maria und Josef zwar verheiratet sind, Jesus aber der Sohn Gottes ist. Keine Chance! Ich gewinne einen ersten Eindruck über die freundliche iranische Neugierde und unvergleichliche Gastfreundschaft. Bei Tee, Obst, Süßigkeiten, Abendessen und Frühstück beantworte ich brav alle Fragen zu meiner Kultur. Zwischendrin verabschieden sich die Familienmitglieder mehrmals um zu beten. Dafür legen sie eine Art Robe an und holen den Gebetsteppich heraus. Dieser Anblick ist Fremd und spannend. Das Prinzip der gegenseitigen Partnerwahl scheint meinen Gastgebern unbekannt. Im Iran würden die Männer auswählen. Aha.

Die Erfahrung mit Asmirs Familie war im Iran einzigartig, das weiß ich jetzt. Ich habe danach keine Familie mehr getroffen, die so religiös war, so sehr nach alter Tradition lebt. Ich bin für die Erfahrung sehr dankbar. Über Chouchsurfing hätte ich diese lieben und toleranten Menschen nicht kennengelernt.
Am nächsten Tag fährt mich Samas Familie zur Grenze zurück. Ich muss das Zollgebäude nicht mal betreten. Asmir nimmt mein Carnet de Passage (Das unerlässliche Zolldokument für den Iran) mit und bringt es mir 2 Minuten später gestempelt zurück. Ich könne nun einreisen. So einfach kann es sein, wenn man einen Zollbeamten kennt.
Ich weiß bereits, dass der Iran hervorragende Straßen hat und Schotterpisten quasi nicht existieren. Auf der Suche nach Schotter, habe ich mir im Vorfeld auf Google Maps die kleinsten Straßen rausgesucht, die ich finden konnte. Erfolgreich. Die nächsten Tage fahre ich auf feinstem Schotter durch Irans Berge.
Gleich am ersten Abend bringt die gewählte Abgeschiedenheit mich allerdings schon in Schwierigkeiten und stellt mich gleich vor 2 Herausforderungen. Ich bin am Sefid Rud Lake auf der Suche nach einem Zeltplatz.
Der Wind hat sich plötzlich überlegt so orkanartig zuzulegen, dass ich mit Fridolin am See stehe, mich am Lenker festkralle, beide Beine fest am Boden. Bloß nicht umfallen! Weiterfahren scheint unmöglich. Kein Mensch zu sehen. Ich kann die Straße, die ich verlassen habe sogar hören, aber ich kann bei dem Sturm nicht mal absteigen. In solchen Situationen ist allein Reisen nicht der größte Spaß. Man fühlt sich viel angreifbarer als zu zweit. Natürlich könnte ich mein Motorrad allein aufheben. Aber dann stehe ich immer noch allein im Sturm. Nach 10 Minuten rumgestehe wage ich – mangels Alternative – loszufahren. Mit zitternden Händen und einem Adrenalinspiegel alla Fallschirmsprung erreiche ich die Straße ohne umgeblasen zu werden. Hamdulillah! Und was nun? Es ist 19:00 Uhr und hier ist kein Ort wo ich unterkommen könnte. Zelten scheint unmöglich. Notgedrungen schleiche ich also weiter um den See. Nach einer gefühlten Ewigkeit (mit 20 Km/h kein Wunder) erreiche ich eine windstille Ecke. Ich beschließe erneut zum See runterzufahren und nach einem Zeltplatz zu suchen. Das Seebett ist hier ausgetrocknet und bietet eine fantastische Aussicht. Guter Dinge fahre ich über das rissige Terrain bis ich plötzlich nicht mehr vom Fleck komme.
Ich habe 2 Meter Schlamm erwischt und mein Hinterrad eingegraben. Na prima!


Ausgrabung Versuch 1: Mehr Gas. Das bringt nur mehr eingraben, das weiß ich jetzt, wusste ich da aber nicht. Die Straße ist nur 2 Km weit weg, aber um diese Zeit kaum befahren. Versuch 2: Ich lege Äste und Steine vor den Hinterreifen, dann Gas. Hilft auch nicht. Notgedrungen packe ich Fridolin ab, lege ihn auf die Seite (Versuch 3) und staple Steine in die Rille die ich gefahren habe. Das funktioniert! Ich bin zwar völlig vollgeschlammt, aber mein Motorrad steht wieder.
Ich habe ein leichtes Motorrad, was ich aus Gründen wie diesen gewählt habe. Trotzdem ist es für mich jedes Mal ein maximaler Kraftakt es aufzuheben. Vor allem im Schlamm oder im Sand. Da ist man als Frau Kräfte technisch leider doch im Nachteil. Ich bin so platt, dass ich an Ort und Stelle mein Zelt aufbaue. Zelten im Iran, als Frau, allein? In meinem Fall kein Problem.
Die kommenden Tage fahre ich im Zickzack durch Irans Berge. Allein und ohne 3 Worte Farsi zu sprechen, stelle ich mich missmutig auf 3 stumme Tage ein. Ich bin an sich ungern allein (ja, paradox ich weiß). Bisher habe ich allerdings immer Leute getroffen mit denen ich ein Teilstück gefahren bin oder ein paar Tage am Hostel verbracht habe. ‚Aber hier in Irans Abgeschiedenheit?‘
Mein Glück lässt mich nicht im Stich. Irgendwo im Nirgendwo treffe ich auf Roberto! Ich muss an Michael denken, der mich kopfschüttelnd mal fragte, wo ich die ganzen Leute immer auftreibe mit denen ich fahre. Diesmal muss ich selbst schmunzeln. Hier ist nichts und Niemand außer Roberto und mir. Die kommenden 3 Tage fahren und zelten wir zusammen. Roberto gibt sich mit knapp 60 Jahren als mein Onkel aus. So bringen wir zumindest das iranische Weltbild nicht durcheinander. Es ist hier undenkbar, dass eine Frau und ein Mann die nicht verwandt sind gemeinsam reisen!

Roberto spricht ein bisschen Farsi und das beschert uns 34779213 Teeeinladungen und viel mehr Kontakt mit der iranischen Bergbevölkerung. Er war schon 12 Mal im Iran und von ihm lerne ich sehr viel über die Kultur dieses faszinierenden Landes.


Nach 3 Tagen Höhenluft begeben wir uns nach Teheran. Ich bin heilfroh die Stadt nicht allein zu befahren. Die Iraner verwandeln sich sobald sie ins Auto steigen in drängelnde kleine Monster. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen Teheran gar nicht zu befahren. Aus Angst. Dann dachte ich, gut, ich fahre einfach um 05.00 Uhr morgens ein, da ist noch kein Verkehr. Wir kamen schließlich um 13:00 Uhr an. So läuft das häufig. Ich nähere mich schrittweise einem Problem an, dann kommt alles anders und klappt trotzdem.
Nach meiner Beobachtung befolgt der Iraner genau 2 Verkehrsregeln: 1. es gibt kein hinter mir. Ich muss also Gedanken lesen, was das Fahrzeug vor mir gleich für wahnwitzige Lenkmanöver einleitet und 2. wo eine Lücke ist dränge ich mich rein. Andere Reisende erzählten mir Teherans Verkehr sei schlimmer als der Delhis. Ich persönlich kam ganz gut klar, da die Iraner zumindest keine hektischen Fahrmanöver vornehmen. Man hat Zeit zu reagieren, wenn das Auto vor dir langsam von ganz links stetig nach rechts driftet um gleich abzubiegen. Ohne blinken versteht sich.
In Teheran trennen sich Robertos und mein Weg. Ich lasse mein Motorrad stehen und bereise den Süden mit knapp 50 Grad mit dem Bus.
Ich bin schlichtweg beeindruckt. Der Iran würde mich auch sehr interessieren. Viele Grüsse, Ralf