Statistik:
Baku. Warten auf die 520 Euro Kupplung.
Pannen:
Gebrochener Träger die 3. Diesmal wird er zur Fußraste abgestützt.
Was tut man in Aserbaidschan um 05:00 Uhr morgens, 70 Km von Baku entfernt, nach einer schlaflosen Nacht und Grenz-gezanke? – Man fährt zu den Mud Vulcanos. Gilly und Steve laden die Fährencrew (8 Backpacker und Michael) in Ihr Truckzuhause ein um die 6 Km zu den brodelnden Minivulkanen zu fahren. ‚Wie das wohl zu 8. auf der Buckelpiste sein muss?‘ frage ich mich, währen ich hinter ihnen herfahre. Sie steigen jedenfalls mit gesunder Gesichtsfarbe aus.

Wir sind zwar alle super Platt, aber der Anblick der Vulkane bei Sonnenaufgang entschädigt für alle Strapazen. Ich frage mich ob sich die lange Warterei für diesen perfekten Ankunftszeitpunkt nicht vielleicht sogar gelohnt hat.


Langsam wird es Zeit für den Abschied. Die Fährencrew trennt sich und ich verabschiede mich vorläufig endgültig von meinen Wüstenbegleitern und von Michael. Nach all den Pannen und unerwarteten Ereignissen, die wir auf unserer zusammen geplanten Etappe bewältigen mussten, ist ein Abschied nun seltsam. Er reist in den Iran weiter, währen ich mich meiner kaputten Kupplung widme. Ich werde 10 Tage in Baku auf Ersatz warten.
Übermüdet fahre ich weiter nach Baku. Ein Hostel habe ich nicht gebucht und daher irre ich erst mal eine Stunde durch die Stadt. Ich komme in einem ausladenden dunklen Kämmerchen-hostel unter. Ich bin zu müde um weiterzusuchen, daher suche ich für die kommende Nacht nach Couchsurfer Hosts in Baku. Eine Hervorragende Idee, die meine Zeit in Baku zu etwas Besonderem gemacht hat.
Mir antwortet die liebe Irada. Sie sei zwar gerade in Rom, aber ich könne in Ihrer Wohnung übernachten, ihr Vater füttere die Katze. Mein Problem mit dem Motorrad? – Kein Problem, sie kenne da wen! Da telefoniert Irada aus Rom ihre Bekannten durch um einer ihr völlig unbekannten Person spontan zu helfen. Mal wieder unglaublich.
Und so kommt es, dass ich die erste Nacht in Ihrer Wohnung mit Ihrem liebenswürdigen Papa, der Katze, viel Google Translate (er spricht kein Wort englisch) und leckerem Essen verbringe und am kommenden Tag zu Serkan ziehe.
Serkan
Serkan und Erkan sind 2 deutsch-türkische Brüder die (unter anderem) eines der bekanntesten (und teuersten) Restaurants in Baku führen. Sie bekochen neben dem Präsidenten auch Ronaldinho und andere Berühmtheiten. Ich schlage in dem Restaurant mit Motorradkombi auf und fühle mich gelinde gesagt ein kleines bisschen deplatziert. Da ich mit Big Boss Erkan aufkreuze, werde ich trotzdem wie ein VIP behandelt.
Ah. So ist das also.



Die kommenden 10 Tage bekomme ich einen Eindruck von Bakus Richworld. Ich verbringe ein paar Tage am Pool oder im Meer an ihrem Hotel, gehe im Restaurant ein und aus und fahre abends mit Serkan durch Bakus schillernde Nacht. Die beiden sind so unterschiedlich wie Geschwister nur sein können und unglaublich liebenswerte und aufopfernde Gastgeber. Trotz Protest überlässt mir Serkan für 10 Tage das Schlafzimmer und schläft stattdessen selbst auf der Couch im Wohnzimmer. Erkan nimmt mich morgens mit ins Restaurant oder zum Hotel, organisiert meine Registrierung in Aserbaidschan und ruft mich mindestens einmal am Tag an um zu fragen ob alles in Ordnung ist.



Das Eintauchen in eine mir bis Dato unbekannte Welt der Kontraste und Hierarchien ist für mich dennoch etwas Seltsames. Ich lerne mit Erkan und Serkan das Baku kennen, was der Präsident den Touristen gern verkaufen möchte. Edel und teuer. Die Beiden sind es aber auch, die mir einen Blick hinter die Fassaden zeigen. Nur eine Seitenstraße vom fancy Boulevard entfernt verbergen sich soziale Ungleichheit, Kontrolle und Korruption. Wobei sich die Kontrolle in Form von enormer Polizeipräsenz (wie ich sie noch nirgends gesehen habe!) und Kameras an JEDER Kreuzung/U-Bahn/Ampel dann doch nicht so gut verbirgt. Ich glaub der Präsident kann mir aufs Klo folgen, wenn er will.
Ein Leben in dem ich besser behandelt werde als andere, nur weil ich die richtigen Leute kenne behagt mir nicht und ich merke, dass auch meine Gastgeber damit kämpfen. Die beiden haben einen unglaublichen Lebensweg hinter sich und ich bin beeindruckt von ihrem Mut in die Ungewissheit mit nichts als einer Sporttasche voller Kleidung in ein Neues Leben zu starten. Dagegen ist meine Reise ein Spaziergang.
Fridolin wartet währenddessen auseinandergebaut geduldig auf seine Kupplung. Beim Warten stelle ich fest, dass der Rahmen zum 3. Mal gebrochen ist. ‚Schon wieder?!‘ Die Werkstatt Moto Pro hat keine Möglichkeit zu schweißen, daher muss ich erst auf die Kupplung warten und danach noch zum Schweißer. Alles das geht von meiner Zeit im Iran ab, auf den ich mich so so so freue!

Am Tag 9 in Baku kommt meine Kupplung endlich an! Meine lieben Freunde Thomas und Birgit haben die Kupplung beim Hondahändler abgeholt und verschickt (180 Euro mit UPS eine Frechheit!). Auf Thomas Anraten habe ich neben den Reib- und Stahlplatten auch Mutter, Federn und Dichtung mitbestellt. Wenn Thomas das sagt wird das schon sinnvoll sein. Er ist der, den ich bei JEDEM Problem anrufe und dessen fachkundige Meinung ich schätze und aus Erfahrung (nämlich wenn ich gegen seinen Rat gehandelt habe) beherzige.
Die Montage verläuft problemlos. Alex, der hilfsbereite Besitzer der Werkstatt, schmunzelt über meine Überwachung von jedem Schritt ohne zu verstehen, was da genau gemacht wird. Ich bin nervös. ‚Bitte keine Fehler, ich möchte in den Iran!‘ Thomas wird via Whatsapp über jeden Schritt informiert.
Das Schweißen ist dann noch ein kleines Abenteuer. Ich fahre kurz vor Ladenschluss quer durch Bakus Kamikaze-Verkehr. Ganz ehrlich, die Leute können hier einfach keinen Führerschein haben, so wie die fahren! Ich muss an Erkans Worte denken, dass in Aserbaidschan alles von der Arbeitsgenehmigung bis zum Führerschein käuflich ist. Beim Schweißer angekommen, erfahre ich wieder ein Stück herzliche aserbaidschanische Hilfsbereitschaft. Die Mechaniker sprechen kein englisch und weigern sich meinen Wunsch zu beherzigen den Rahmen NICHT mit montiertem Plastikgehäuse zu schweißen. Nach 10 minütiger hitziger Diskussion wird dann doch ohne Plastik ein Winkel zur Verstärkung an beiden Seiten angeschweißt. Ich bete, dass das reicht. Die Montage wird nämlich nach jedem Schweißen kniffliger. Wir brauchen 45 Minuten um die Sitzbank wieder zu montieren!

Um 21:00 Uhr, 2 Stunden Arbeit und einer halben verspeiste Wassermelone später, weigern sich meine Helfer die vereinbarte Bezahlung anzunehmen. Da hilft meine Hartnäckigkeit auch nicht.
Das Gefühl nach 10 Tagen wieder on the Road zu sein ist genial! Baku ist heute Abend noch schillernder, riecht besser, glänzt schöner und auch die Nachtblindheit ist mir gerade egal. Ich habe mich in den 10 Tagen gefragt ob ich die Reise in Deutschland beende oder weiter nach Marokko? Südamerika? fahre. Heute Abend heißt die Antwort: Ja! Ich liebe Motorradreisen auch nach über 2 Monaten noch.
Wenn ich wüsste…
Nach einem letzten schönen Abend verlasse ich meine neuen Freunde Erkan und Serkan am nächsten Morgen in der Vorfreude sie in Deutschland wiederzusehen. Ich bin überglücklich meine Reise fortzusetzen. Iran ich komme! Endlich.
Wünsche Dir schon jetzt viel Spaß im Iran, und freue mich, dass das mit der Kupplung geklappt hat!
Gruß
Christian